Test aus der stereoplay 03/2016 Autor: Stefan Schickedanz Bilder: stereoplay
Graham Audio LS 3/5
Hochohmiger Monitorlautsprecher
Für alle, die tatsächlich noch nie vom legendären BBC Monitor LS 3/5 gehört haben, sei ein Vergleich mit der Musikwelt gestattet: Wie „My Way“ überdauerte er die Geschmäcker vieler Generationen. Und wie bei dem von Elvis, Frank Sinatra und Robbie
Williams gecoverten Paul-Anka Song gibt es kaum einen großen Namen der HiFi-Welt, der sich noch nicht an einer eigenen Interpretation der ausgesprochen kompakten Zwei-Wege-Box versucht hat: etwa Rogers, Spendor, Harbeth, KEF und eben Chartwell. Im Fall der Graham Audio erhielt Firmengründer Paul Graham Unterstützung von Derek Hughes, der bei Spendor für die LS 3/5 zuständig war. Die grundsätzliche Konstruktion kam derweil von der BBC. Der Staatssender benötigte in den 70er-Jahren einen Monitor für Außenproduktionen. Die Treiber
der Graham Interpretation der LS 3/5 Chartwell werden nach Vorgaben von Derek Hughes bei SEAS und Volt nach Maß gefertigt. Dabei handelt es sich um eine 1,9-cm Weichkalotte und einen 11-cm Tief-/Mitteltöner, der aus extrene besteht. Solche kleinen Treiber kommen dem Rundstrahlverhalten entgegen und sorgen für ein Zusammenrücken der beiden akustischen Zentren, was im Nahfeldbetrieb,
für den der Mobilmonitor gedacht ist, besonders zählt. Was für Liebhaber ausgefallener Boxen-Spezialitäten zählt, ist auch das in Handarbeit in England gebaute Gehäuse mit seiner verschraubten Rückwand. Es sagt dem kundigen Betrachter aus jeder Richtung, dass dieser 5,3 Kilo schwere Mini nicht irgendwo in einer fernöstlichen Massenherstellung vom Band gelaufen ist.
Neben der LS 3/5 aus Birke mit Kirschholzfurnier gibt es gegen Aufpreis eine noch edlere Rosenholz-Ausführung. Die aufwendig aufgebaute Weiche – sie nimmt fast die ganze Rückwand ein – verzichtet zwar auf eine Impedanzkorrektur, bleibt aber unkritisch. Die hochohmige Box braucht viel Spannung, aber wenig Strom. Damit würde man sie nicht unbedingt als ideale Partnerin für den Lyric TI-100 sehen. Doch die in Deutschland entwickelte Röhre harmonierte durchaus mit der Britin. Sie entlockte ihr einen seidigen, cremigen Klang, ohne irgendwelche Bereiche mit künstlicher Süße zu überziehen. Der Bass wirkte kontrolliert, zudem für dieses Format erstaunlich tief und satt – selbst im großen, mittelstark bedämpften stereoplay Hörraum.
Erstaunlich laut. Die LS 3/5 spielte größenbezogen erstaunlich dynamisch. Der Old-School-Monitor wirkte dabei transparent, plastisch und löste überragend auf. Die größten Tugenden waren seine Homogenität und der exzellente Spielfluss mit perfektem Timing. Während sich Attacke und Spritzigkeit in den Höhen mit einem hochwertigen Transistor-Amp noch steigern ließen, verloren dann die erstaunlich akzentuierten Bässe etwas von ihrem Volumen durch kürzeres Ausschwingen – was sie ihrer Autorität beraubte. Man kann mit der LS 3/5 alle Musikstile mit puristischer Ästhetik plus innerer Stimmigkeit genießen. Nur sollte man sie nicht mit gleich teuren Standboxen vergleichen. Was dann passiert, lässt sich beim Umstieg von Naschereien aus dem Supermarkt auf Produkte aus dem Bioladen beobachten: Im ersten Moment schmeckt es etwas fad. Auf diesen Lautsprecher muss man sich einlassen, dann entführt er einen in eine andere Zeit- und Raum-Dimension.